Dienstag, 18. Januar 2022

EP # 21: Stolperdraht


Mit weichen Knien und wunden Füßen: Stolpern. Fallen. Wieder aufstehen. Weitergehen. Sich von hier nach da schleppen. Wo hier ist? Wo da? Egal. Hauptsache vorwärts. Dem Ziel entgegen. Ein letzter Versuch: Was ist das Ziel? Wo liegt es? Ist es dasselbe, für das man sich anfangs auf den Weg gemacht hat, oder längst ein anderes? Und: Können Beine so weit tragen? Keine Ahnung. Kein Interesse. Aber dem Zweifel keinen Fußbreit, denn der hemmt Bewegung und Stillstand wäre fürchterlichste Qual. So harre ich von Hindernis zu Hindernis des Sturzes, der da kommen muss, und werde, wenn das Haupt schließlich im Staube liegt, den Zweifel mit fester Stimme sagen lassen: Liegen bleiben.
 

Mittwoch, 1. Dezember 2021

EP # 20: Schwelende Konflikte - Musik zur Zeit

 
So ist das nicht gemeint. Nein, wirklich nicht. So etwas würde niemand sagen. Allein der Gedanke verbietet sich. Es kann sich nur um ein Missverständnis handeln. Allerdings bedarf es, um derart misszuverstehen, schon eines sehr einfältigen Gemüts oder, was wir nicht hoffen wollen, eines offen niederträchtigen Charakters, der partout missverstehen will. Da könnte man dann auch mal ganz anders. Wir verstehen uns? So kann das also gar nicht gemeint sein. Allein der Gedanke verbietet sich. 
 

Freitag, 20. August 2021

My Rifle, My Pony & Me + Isufa, 17. 09. 2021, Fundbureau, Hamburg

 My Rifle, My Pony & Me + Isufa

Freitag, 17. September 2021, 19.00 Uhr.
Fundbureau, Stresemannstraße 14, 22769 Hamburg.
Karten im Vorverkauf. Bestuhltes Konzert unter gültigen Hygieneauflagen.
https://fundbureau.de

Dienstag, 8. Juni 2021

EP # 19: Babyelefanten (2021)

 
Gewalt und Irrsinn: Wer nicht verstehen will, muss fühlen. Wer sich nachzudenken weigert, ergibt sich dem Sog des Irrationalen. Möge die Macht mit ihm sein!

Auf Befindlichkeiten kann keine Rücksicht genommen werden. Wer nicht mitmacht, hat verloren. Wer sich wehrt, dem droht Vernichtung. Irgendwo lässt man immer gerade ein paar tausend Menschen über die Klinge springen.

Die Synergien schonen weder Raum noch Zeit. Ihr Ziel kennt niemand. Aber Richtung und Geschwindigkeit lassen vermuten, dass ein ordentlicher Knall erwartet werden darf.
 

Mittwoch, 14. April 2021

EP # 18: Pandemonium (2021)

    
 
(Die Bühne ist dunkel. Dann ein Lichtkegel wie in einem Musical. Satan tritt auf, gekleidet in einem lässig sitzenden Anzug. Er trägt ein Head-Set mit einem Mikrofon und kleinen Kopfhörern. Lächelnd tänzelt er zum Bühnenrand. Etwas Grauenhaftes sitzt unerkannt im Publikum.)
Satan: (zum Publikum) Ich weiß, weswegen Sie hier sind! Ich weiß, was Sie sich wünschen! (Er lacht.) Und kommen Sie mir jetzt bloß nicht mit Liebe, Geld und ewig währenden Orgasmen! Nein, Sie wollen eine Chance! Einmal im Leben wollen Sie zeigen, was in Ihnen steckt, was Sie fühlen, was Sie können, wer Sie wirklich sind! Das ist der Stoff, aus dem die Träume sind, nicht wahr? (Er lacht trocken und humorlos.) Kinderkacke! Andere erledigen sowas vor Ihrer Einschulung! Was ist bei Ihnen falsch gelaufen? Hat Mama Sie zu wenig geliebt oder Papa zuviel? Wenn Sie in den Spiegel schauen, kriechen Ihnen dann für einen Augenblick all die verpassten Chancen durch den Kopf? Können Sie das Unglück sehen, das sich in Ihren Zügen angehäuft hat? Bedauerlich, dass das Glück so flüchtig ist, während das Unglück an einem kleben bleibt wie Hundekot an einer Schuhsohle, nicht wahr? (Er lacht.) Aber was rede ich von Glück? Wie viele glückliche Momente gab es schon in Ihrem Leben? Lohnt sich das Erinnern? Glück! Was für ein Mist! Aber dafür machen Sie weiter! Dafür klammern Sie sich an jeden Strohhalm, den Ihnen irgendein grinsender Idiot hinhält! (Er grinst.) Dafür werfen Sie Ihr Geld zum Fenster raus, machen die Beine breit oder zwängen Ihren Penis in irgendwelche Öffnungen, je nachdem! Und, es tut mir leid, Ihnen das sagen zu müssen, aber Sie werden nicht jünger! (Er lacht.) Nun denn, Spaß beiseite! Sie wollen eine Chance und Sie sollen sie bekommen! Ich bin in Geberlaune! Und ich rede hier nicht von einem Job! Ich spreche von einer Herausforderung im wahrsten Sinne des Wortes! Ich spreche von Grenzüberschreitungen, unerforschten Welten, neuen Territorien! (Er hält kurz inne.) Aber ein Spaziergang wird das nicht, da muss ich Sie warnen und nach dem ersten Schritt gibt es kein Zurück! Manche werden auf der Strecke bleiben, das ist nicht zu vermeiden! Das liegt in der Natur der Sache! Aber ich garantiere Ihnen, Sie werden sich selbst begegnen! Ihr Innerstes wird nach außen gestülpt werden! Sie werden Ihre Gefühle wie Wunden auf der Haut tragen! Nun greift mir zu und seid nicht blöde! Was gibt es zu verlieren? Wer wagt’s? Ja, ich erspähe ein paar erwartungsvolle Blicke.
(Etwas Grauenhaftes erhebt sich und besteigt die Bühne.)

Freitag, 26. März 2021

EP # 17: Flucht unmöglich (2021)

Ich wollte alles richtig machen. Ich habe versucht, der zu sein, der ich sein sollte. Das hat nicht geklappt. Der Mangel an Anpassungsvermögen schmerzte und trieb mich zur Verzweiflung, hat mir auf lange Sicht aber das Leben gerettet. Als mir das klar wurde, versuchte ich noch einmal alles richtig zu machen. Ich wollte nun der sein, der ich nicht sein sollte. Auch das klappte nicht. Mir fehlte es an Mut und Zuversicht. Also richtete ich mich in den Zwischenräumen ein und entkam gerade noch rechtzeitig, bevor mich die hier herrschenden Anforderungen zermalmten. Ich habe versucht alles richtig zu machen. Jetzt kann und will ich nicht mehr. Diese Welt ist ein Gefängnis. Flucht unmöglich.

Sonntag, 21. Februar 2021

EP # 16: Makellos integer (2021)

 
Nico Brettschneider knurrte wütend. Er konnte sich die Herkunft des Störgeräusches auf der Tonspur nicht erklären. Vor Monaten hatte er sich in die ländliche Einsamkeit des ehemaligen Zonenrandgebiets zurückgezogen, um in seiner zum Tonstudio umgebauten Scheune Béla Bartóks Musik für Saiteninstrumente, Schlagzeug und Celesta zu einer Fassung für Gitarre und Gesang umzuarbeiten, und nun, kurz vor der Fertigstellung, gab es dieses Störgeräusch. Er überprüfte das Equipment und die Kabelage, aber alles schien tadellos zu funktionieren. Schließlich kam er auf die  Idee, das Geräusch zu isolieren und zu verstärken. Ganz deutlich ließ sich jetzt ein Knall, das Splittern von Glas und das Kreischen sich verformenden Metalls vernehmen. Das Geräusch war also von außen gekommen.
„Wir sehen uns draußen mal ein wenig um“, sagte er zu seinem treuen Gefährten Rusty, einem gutmütigen Golden Retriever, der sofort aufsprang und vergnügt vor sich hin fiepte.
Knapp zwanzig Minuten waren sie durch den winterlichen Wald gestapft, als Rusty plötzlich etwas witterte, bellte und Nico zur verschneiten Landstraße führte. Ein knallroter Porsche Taycan hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes um einen Baum gewickelt. Nico staunte nicht schlecht, als er feststellte, dass es sich bei den Insassen des Unglückfahrzeugs um seine alten Mitstreiter von My Rifle, My Pony & Me handelte.
„Schön, dich zu sehen“, flüsterte der hinter dem Lenkrad des Wracks eingeklemmte Christian Ahl mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Frank Amling war durch den Aufprall vom Beifahrersitz durch die Windschutzscheibe auf den Asphalt geschleudert worden. Eine feine Schneeschicht bedeckte seinen reglosen Leib und ließ das Schlimmste vermuten. Aber als Rusty über sein Gesicht leckte, kam er augenblicklich wieder zu Bewusstsein. Nico half ihm, die ausgekugelte Schulter einzurenken, und gemeinsam befreiten sie Christian aus den Überresten des Porsches.
In der Scheune tranken sie heißen Kaffee, spritzten sich etwas Heroin (gegen die Schmerzen!) und beschlossen, ein paar Tracks aufzunehmen. Das Ergebnis übertraf alle Erwartungen.
„Scheiß auf Sojaschnitten!“, sagte Christian. Frank nickte.
„Scheiß auf Bartók!“, sagte Nico. „Das hier ist makellos integer!“ Rusty bellte zustimmend.

Dienstag, 2. Februar 2021

EP # 15: No Rest for the Wicked

Vor gut zwei Jahren zogen sich My Rifle, My Pony & Me auf ihr märchenschlosshaftes Anwesen (mit Privatzoo) im Herzen Hamburgs zurück, um innere Einkehr zu halten, zu meditieren und sich spirituell zu erneuern. Nun wenden sich Christian Ahl und Frank Amling, Yin und Yang des Duos, erneut an die Weltöffentlichkeit. Vor internationalen Medienvertretern erklären sie, „jetzt zu wissen, wie der Hase läuft“. Es hinge „alles irgendwie zusammen“ und dem müsse „Rechnung getragen“ werden. Ihnen könne man „keine Badeferien mehr andrehen“. Auf der Pressekonferenz, auf der sich bisweilen tumultartige Szenen abspielen, äußern sich die attraktiven Popstars auch zu ihrem Privatleben. Sie lebten enthaltsam, vegan und substanzfrei, tränken nur Mineralwasser und trieben viel Sport. Natürlich schlügen sie auch manchmal über die Strenge, erläutert Amling. „Dann teilen wir uns schon mal eine extra Sojaschnitte.“ „Oder zwei“, ergänzt Ahl verschmitzt und beide lachen. Nein, der Erfolg habe sie nicht verändert. Im Grunde seien sie dieselben lustigen Racker wie früher. Bevor die beiden Celebrities in Christian Ahls knallrotem tiefergelegten Porsche Taycan dem Sonnenuntergang entgegenbrausen, stellen sie sich noch dem Blitzlichtgewitter der Fotografen. „No Rest for the Wicked“, sagt Ahl. „Sollte man gehört haben“, betont Amling.

Freitag, 15. Januar 2021

EP # 14: Traumatized

 
In Krisenzeiten läuft die Ideologieproduktion heiß und produziert jede Menge Wahnsinn, gegen den sich zu immunisieren schwerfällt. Ständig ertappt man sich dabei, Antworten auf Fragen finden zu wollen, die nie gestellt worden sind. Dabei könnte alles so einfach sein: Free for all! und School's out forever! Zu verlieren gäbe es dabei nur wenig (Ketten) und zu gewinnen so viel (eine Welt). Ist aber nicht. Scheiße.
 
 

Samstag, 29. Juni 2019

Album # 5: Condensed 2012-2019

 

Das Zerwürfnis erfolgte im Verharren und schuf völlig neue Realitäten. Die Trauerarbeit fand im Stadtpark statt. Wir blieben Herr der Lage, doch meine Gitarre brach sich den Hals. Bei der Reparatur ließ ich die Saiten tieferlegen. (Ich spiele sie heute noch, und nach wie vor zu zögerlich und im Zweifel befangen.) Erster Auftritt unter freiem Himmel; akzeptabel. Die Welt der Besserwisser war nicht die unsere, mussten wir feststellen. Dem Mediator war Ambivalenz unerträglich und bei unversöhnlicher Haltung neigte er zur Übergriffigkeit. Alive and kicking. Straßenmusikfest in der Fußgängerzone von Bad Oldesloe: Unverstärkt schafften wir es nicht einmal bis zur anderen Straßenseite, was kein großes Drama war. Wirklich gehört werden wollten wir nicht von den phlegmatisch Einkaufenden an diesem Event-Samstag mit verlängerten Geschäftsöffnungszeiten plus Wurstbude, Kinderbespaßung und Kuriosem. Erste Aufnahmen. Das täglich Brot: die Klassiker. Wir rollten. Der Bass brummte warm und tief. Es war Ende Dezember, doch das Jahr noch jung...


Dienstag, 2. Oktober 2018

Album # 4: Ficken im Knast - Session Outtakes #6


Der Körper war eiskalt. Die Leichenstarre hatte bereits eingesetzt. Als mir dämmerte, was man mir da anzuhängen versuchte, war ich auch schon umzingelt. „Man hat mich reingelegt,“ versuchte ich den Bullen zu erklären, die mich zu Boden stießen, mir die Arme auskugelten und die Hände auf den Rücken fesselten. „Ich bin unschuldig!“ Aber sie grinsten nur, und da wusste ich, dass sie mit drinsteckten. Vielleicht hatten sie sogar selbst den Tatort präpariert.

Die Tage sind lang hier drin. Trotz hektisch zur Schau gestellter Betriebsamkeit regiert die Monotonie. Die Gedanken sind fahrig wie der von Mauern angeödete Blick. Unsere Berührungen bleiben grob, unsere Zärtlichkeiten unbeholfen. Mir ist so kalt hier drin, komm her und wärm mich! Ficken im Knast.

Mittwoch, 1. August 2018

EP # 13: Gut - Session Outtakes #5


Das Schreckliche ist: Alle wissen Bescheid. Schau dir das bösartige Lächeln in diesen unschuldig glotzenden Mondgesichtern an. Der Tod wird nicht nur in Kauf genommen. Er wird gewünscht. Ich verstehe nicht, wie man das nicht sehen kann. Nein, ich finde nicht, dass ich übertreibe. Ich glaube, du bist da viel zu blauäugig. Was? Nein, einig werden wir uns wohl nicht. Wem? Mir? Mir geht es gut.

Album # 3: Shine

  

Nur mit Mühe halten sich die Körper aufrecht. Schmerz- und Aufputschmittel machen die Runde. Der Geruch von Erbrochenem hängt in der Luft. Auch in den Reihen derer, die selten über den Tellerrand schauen, fordern Verzicht und Selbstoptimierung mehr und mehr Opfer. Das altehrwürdige Prinzip, die Kosten der eigenen Dumm- und Feigheit den Elenden dieser Welt aufzubürden, um selbst in seliger Ignoranz vor sich hin vegetieren zu können, scheint nicht länger zu gelten. Das macht böse auf ... die Elenden! Also lässt man sie ersaufen und baut den Überlebenden Lager. Damit kennt man sich hier schließlich aus. Es ist zum Verzweifeln!

Samstag, 23. Dezember 2017

Album # 2: Blue Moon - Session Outtakes #4


1
Die Narration soll aus einem Holz geschnitzt sein. Dissonanzen werden - wenn möglich - ausgemerzt, zumindest minimiert. Grausamkeiten ungeheuren Ausmaßes sind in Arbeit, die nicht von einem Anflug konträren Denkens gestört zu werden wünschen. Die Eventkultur fährt ganz groß auf, kodiert Verschwendung als nachhaltig und Zynismus als verantwortungsvolle Zurückhaltung. Doch die Sinne wollen perfekt getäuscht sein. Ein schaler Nachgeschmack muss bleiben, die Illusion währt nur kurz. Die erhoffte Transformation bleibt aus.

2
Der Mond geht auf. Es reißt und knurrt in mir. Alles kreischt und rennt von hinnen. Ich presse das Mark aus den Knochen, schlucke die Enttäuschung hinunter und hebe mir das Brüllen für die Staatsgewalt auf. Wenn ihr Mut habt, kommt mich holen. Der Himmel, nichts darunter. Das Gelächter ist vielleicht des Teufels, doch die Leichen, die sind mein. Dem Erdboden gleich. Kehlen drücken, bis die Nähte reißen; ein Wüten, bis die Schwarte kracht.
Dein Schweiß, der klebt mir in den Nüstern. Wittern tu ich dich doch überall. Komm raus, ich kann dich atmen hören.

3
Wir sind Körper im Raum. Alles andere bedeutet einen Scheiß.

 

Montag, 30. Oktober 2017

Album # 1: Anders! - Session Outtakes #3


Gibberish, Baby. Hölle der Gegenwart. Thanatos tanzt Tango mit mir taubem Trottel. One more time around the edges. Nicht jedem Impuls muss nachgegeben werden. Antizipation. Denken ist schön. Wie ich mich fühle? Anders!

Session Outtakes, die dritte. Ein ganzes Album. Alles improvisiert. Oder zumindest first take (Moon River). An Fehlern besteht folglich kein Mangel. An Schönheit auch nicht.

My Rifle, My Pony & Me sind: Frank Amling (Gitarre, Gesang), Nico Brettschneider (Banjo-Gitarre, Irish Bouzouki, Guitarlele, Gitarre, Gesang) und Christian Ahl (Kontrabass, Percussion, Gesang).

Freitag, 21. Juli 2017

EP # 12: Texte von Frank Amling & Kerstin Seidel - Session Outtakes #2


Welt, Schmerz. Körper, Sensation. Hirn, Riss. Hand, Arbeit. Papier, Stau. Laut, Sprecher. Rhythmus, Gefühl. Harmonie, Gesang. Ideologie, Kritik. Paar, Reim. Glut, Hitze. Doppel, Bindung. Vorstadt, Frau. Milch, Produkt. Raum, Zeit. Und aufhören, bevor es lächerlich wird (wenn's am schönsten ist).

Die 12. EP von My Rifle, My Pony & Me präsentiert Auszüge aus einem heiter-besinnlichen Lyrik-Abend: Kerstin Seidel und Frank Amling lesen Gedichte, Nico Brettschneider (Chordophon) und Christian Ahl (Membranophon) improvisieren dazu. Wir wünschen erhabenes Empfinden. Danke, Kerstin.